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26. Mai 2025

Wie bringen wir mehr Ostdeutsche in Spitzenpositionen?

Prof. Dr. Raj Kollmorgen berichtet zur Transferveranstaltung „Spitzenpositionen in Deutschland – offen für Vielfalt?“

Am 15. Mai 2025 fand im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig die Transferveranstaltung des Verbundforschungsprojekts Elitenmonitor statt, an dem das TRAWOS-Institut der HSZG mit einem Teilvorhaben mitwirkt (Projektteam: Raj Kollmorgen, Jan Schaller, Mara Börjesson) und das vom Bundeskanzleramt und dem Ostbeauftragten der Bundesregierung gefördert wird (2022-2025).

Den Auftakt bildete nach einer kurzen inhaltlichen Einführung durch den Projektsprecher des Verbundprojekts Dr. Lars Vogel das Grußwort der neuen Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Frau Staatsministerin Elisabeth Kaiser. Sie würdigte die Bedeutung des Projekts, das von ihrem Vorgänger Carsten Schneider initiiert wurde, und hob dessen Relevanz für die Analyse gesellschaftlicher Teilhabe und Repräsentation sowie die aktuellen Herausforderungen im deutsch-deutschen Verhältnis hervor.

Ein gemischtes Fazit

Im ersten inhaltlichen Themenblock wurden zentrale Befunde des Forschungsprojekts präsentiert: So zeigte Dr. Lars Vogel anhand der Leipziger Elitendatenbank – einer Erhebung biografischer Daten von über 4.000 elitären Positionsinhaber*innen – wie sich der Anteil Ostdeutscher in den zentralen Spitzenpositionen über die vergangenen 6 Jahre entwickelt hat und zog dabei ein gemischtes Fazit: Leichten Anstiegen in einzelnen Sektoren (z.B. Politik, Wissenschaft, Medien) stehen Sektoren gegenüber, in denen die Zahlen auf gleichbleibend niedrigem Niveau verharren oder sogar rückläufig sind (z.B. Militär, Wirtschaft, Kultur).

Anschließend stellte Prof. Dr. Marion Reiser die Ergebnisse des Elitensurveys vor, bei dem Eliteangehörige zu ihren Einstellungen und Selbstbildern befragt wurden. Während etwa die Hälfte der westdeutschen Elitenangehörigen die Unterpräsentation Ostdeutscher in den Eliten als ein Problem für die Interessenwahrnehmung und -durchsetzung ansieht, sind es unter den ostdeutschen Angehörigen über 85%. Und während westdeutsche Eliten für den finalen Schritt in die Elitenposition die Bedeutung von Expertenwissen hervorheben, sehen ostdeutsche Elitenangehörige gegenüber den Westdeutschen eine größere Relevanz von Verzichtsbereitschaft und vertikalen Kontakten.

Ostdeutsche tendenziell benachteiligt

Zum Abschluss ging Prof. Dr. Raj Kollmorgen auf die Erkenntnisse aus qualitativen Interviews mit ostdeutschen Eliteangehörigen ein: Er beleuchtete dabei insbesondere die Aufstiegshindernisse sowie förderliche Faktoren in den verschiedenen Karrierestufen. So bestehen stufenspezifische Anforderungen für den Aufstieg in die nächste Karrierestufe. Als übergreifende Mechanismen stellt sich die Rekrutierungslogik des Geholt- und Gefragtwerdens dar, der zentral auf die Rolle von sozialem Kapital und Netzwerken verweist. Dies wiederum setzt voraus, dass die Aspirantinnen und Aspiranten früh in zentralen Institutionen und am besten in führungsnahen Positionen des jeweiligen Sektors präsent sind. Bei beiden Aspekten sind Ostdeutsche jedoch tendenziell benachteiligt, da die geringe Institutionen- und Unternehmensdichte in den ostdeutschen Bundesländern eine frühzeitige Mobilität von ostdeutschen Aspirantinnen und Aspiranten voraussetzt. Auch wurde auf die Rolle von Homophilie – also die Bevorzugung von sozialen ähnlichen Personen – im Rekrutierungsprozess verwiesen.

Der zweite Block weitete den Blick auf weitere unterrepräsentierte Gruppen: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Prof. Dr. Miriam Hartlapp (Freie Universität Berlin) thematisierte in ihrem Beitrag die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Bundestag und verwies u.a. auf Frankreich, wo eine gesetzliche Paritätsregelung die Repräsentation deutlich verbessert habe. Im Anschluss sprach Prof. Dr. Sabrina Zajak (DeZIM) über Zugangshürden für Menschen mit Migrationshintergrund. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Schwierigkeit, diese äußerst heterogene Gruppe konzeptionell zu fassen – eine Herausforderung, die in der Repräsentationsforschung erhebliche Auswirkungen auf die Datenlage und Interpretationen hat.

Für eine starke ostdeutsche Repräsentation

Im dritten Themenblock präsentierte Prof. Dr. Astrid Lorenz (Universität Leipzig) konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Repräsentation, die im Rahmen des Elitenmonitor-Projekts entwickelt wurden. Diese adressierten neben den Einzelpersonen selbst auch Organisationen und das Gesamtsystem. Die Handlungsempfehlungen weisen dabei zentral auf die Rolle von Mentor*innenschaften und Netzwerken sowie die Förderung durch Stipendien hin, um strukturell bedingte Nachteile auszugleichen. Zugleich wird aber auch an ostdeutsche Aspirant*innen appelliert, sich stärker mit den Kriterien der Laufbahnentwicklung und den Voraussetzungen für erfolgreiche Karrieren auseinanderzusetzen.

Perspektiven für mehr Vielfalt in den Eliten

Daran anschließend diskutierte ein Podium ostdeutscher Führungspersönlichkeiten unter Moderation von Prof. Dr. Astrid Lorenz und Linus Paeth über Perspektiven für mehr Vielfalt in den Eliten. Mit dabei waren:

  • Prof. Dr. Gesine Grande (Präsidentin BTU Cottbus-Senftenberg, Wissenschaft),
  • Generalmajor Wolfgang Ohl (stellv. Abteilungsleiter Militärstrategie, Einsatz und Operation BMVG, Militär),
  • Cornelius Pollmer (Journalist, Ressortleiter Zeit im Osten),
  • Simona Stoytchkova (Autorin, Leiterin der Sparte Global Markets für Europa von State Street, Wirtschaft).

Die Debatte auf dem Podium stellte dabei die ganze Bandbreite des Diskurses bezüglich der Unterrepräsentation von Ostdeutschen dar und zeigte eine Vielfalt von Erfahrungen, Einschätzungen zur aktuellen Situation und Handlungsempfehlungen aus der eigenen Praxis.

Foto: Prof. Dr. phil. habil. Raj Kollmorgen
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