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24. Mai 2025

„Spitzenpositionen in Deutschland – offen für Vielfalt?“

Rückblick auf die Transferveranstaltung des Forschungsprojektes Elitenmonitor

Am 15. und 16. Mai 2025 fand im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig die Transferveranstaltung des Verbundforschungsprojekts Elitenmonitor statt. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Workshops und einer öffentlichen Tagung wurde intensiv der Austausch mit Fachkolleg:innen sowie einer interessierten Öffentlichkeit gesucht – mit spannenden Diskussionen, neuen Impulsen und wertvollen Einsichten.

Öffentliche Tagung: Repräsentationsfragen im Fokus

Den Auftakt des öffentlichen Teils bildete nach einer kurzen inhaltlichen Einführung durch den Projektsprecher des Verbundprojekts Dr. Lars Vogel das Grußwort der neuen Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Elisabeth Kaiser. Sie würdigte die Bedeutung des Projekts Elitenmonitor, das von ihrem Vorgänger Carsten Schneider initiiert wurde, und hob dessen Relevanz für die Analyse gesellschaftlicher Teilhabe und Repräsentation sowie die aktuellen Herausforderungen im deutsch-deutschen Verhältnis hervor.

Im ersten Themenblock wurden dann zentrale Befunde des Forschungsprojekts präsentiert: So zeigte Dr. Lars Vogel anhand der Leipziger Elitendatenbank ­– einer Vollerhebung biografischer Daten von über 4.000 Positionsinhaber:innen von ca. 3.000 Elitepositionen – wie sich der Anteil ostdeutscher Personen in den zentralen Spitzenpositionen über die vergangenen 6 Jahre entwickelt hat und zog dabei ein gemischtes Fazit: Leichten Anstiegen in einzelnen Sektoren (z.B. Politik, Wissenschaft, Medien) stehen Sektoren gegenüber, in denen die Zahlen auf gleichbleibend niedrigem Niveau verharren oder sogar rückläufig sind (z.B. Militär, Wirtschaft, Kultur). Von besonderer Relevanz ist dabei der Umstand, dass im Beobachtungszeitraum 2018-2023 49,9% der Stellen neu besetzt wurden, es also durchaus Möglichkeiten für einen höheren Anstieg gegeben hätte. Anschließend stellte Prof. Dr. Marion Reiser die Ergebnisse des Elitensurveys vor, bei dem Eliteangehörige zu ihren Einstellungen und Selbstbildern befragt wurden.

Zum Abschluss ging Prof. Dr. Raj Kollmorgen auf die Erkenntnisse aus qualitativen Interviews mit ostdeutschen Eliteangehörigen ein: Er beleuchtete dabei insbesondere die Aufstiegshindernisse sowie förderliche Faktoren in den verschiedenen Karrierestufen. Nach ersten Ergebnissen der Interviewauswertung bestehen so stufenspezifische Anforderungen für den Aufstieg in die nächste Karrierestufe. Als übergreifende Mechanismen stellt sich die Rekrutierungslogik des Geholt- und Gefragtwerdens dar, der zentral auf die Rolle von sozialem Kapital und Netzwerken verweist. Dies wiederum setzt voraus, dass die Aspirant:innen früh in zentralen Institutionen des jeweiligen Sektors präsent sind. Auch ein frühes führungsnahes Arbeiten erweist sich dabei als hilfreich. Bei beiden Aspekten sind Ostdeutsche jedoch tendenziell benachteiligt, da die geringe Institutionen- und Unternehmensdichte in den ostdeutschen Bundesländern eine frühzeitig Mobilität von ostdeutschen Aspirant:innen voraussetzt. Auch wurde auf die Rolle von Homophilie – also die Bevorzugung von sozialen ähnlichen Personen – im Rekrutierungsprozess verwiesen.

Der zweite Block weitete den Blick auf weitere unterrepräsentierte Gruppen: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Prof. Dr. Miriam Hartlapp (Freie Universität Berlin) thematisierte in ihrem Beitrag die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Bundestag und verwies u.a. auf Frankreich, wo eine gesetzliche Paritätsregelung die Repräsentation deutlich verbessert habe. Im Anschluss sprach Prof. Dr. Sabrina Zajak (DeZIM) über Zugangshürden für Menschen mit Migrationshintergrund. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der Schwierigkeit, diese äußerst heterogene Gruppe konzeptionell zu fassen – eine Herausforderung, die in der Repräsentationsforschung erhebliche Auswirkungen auf die Datenlage und Interpretationen hat.

Im dritten Themenblock präsentierte Prof. Dr. Astrid Lorenz (Universität Leipzig) konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung ostdeutscher Repräsentation, die im Rahmen des Elitenmonitor-Projekts entwickelt wurden. Diese adressierten neben den Einzelpersonen selbst auch Organisationen und das Gesamtsystem. Die Handlungsempfehlungen weisen dabei zentral auf die Rolle von Mentor:innenschaften und Netzwerken sowie die Förderung durch Stipendien hin, um strukturell bedingte Nachteile auszugleichen. Zugleich wird aber auch an ostdeutsche Aspirant:innen appelliert, sich stärker mit den Kriterien der Laufbahnentwicklung und den Voraussetzungen für erfolgreiche Karrieren auseinanderzusetzen. Aber auch eine höhere Sensibilität auf Seiten von Organisationen und dem Gesamtsystem und ein Hinterfragen aktueller Rekrutierungsmechanismen sei nötig.

Daran anschließend diskutierte ein Podium ostdeutscher Führungspersönlichkeiten unter Moderation von Prof. Dr. Astrid Lorenz und Linus Paeth über Perspektiven für mehr Vielfalt in den Eliten. Mit dabei waren:

  • Prof. Dr. Gesine Grande (Präsidentin BTU Cottbus-Senftenberg, Wissenschaft),
  • Generalmajor Wolfgang Ohl (stellv. Abteilungsleiter Militärstrategie, Einsatz und Operation BMVG, Militär),
  • Cornelius Pollmer (Journalist, Ressortleiter Zeit im Osten),
  • Simona Stoytchkova (Autorin, Leiterin der Sparte Global Markets für Europa von State Street, Wirtschaft).

Die Debatte auf dem Podium stellte dabei die ganze Bandbreite des Diskurses bezüglich der Unterrepräsentation von Ostdeutschen dar und zeigte eine Vielfalt von Erfahrungen, Einschätzungen zur aktuellen Situation und Handlungsempfehlungen aus der eigenen Praxis. So verwies Generalmajor Wolfgang Ohl auf das geschlossene Laufbahnsystem des Militärs und das Senoritätsprinzip, wonach die Ostdeutschen gerade noch auf dem Weg in die Elitepositionen seien und er somit kein Unterrepräsentationsproblem sehe. Pollmer kam auf die diskursive Schieflage in den Medien und seine Erfahrung, auf seine ostdeutsche Herkunft reduziert wurden zu sein, zu sprechen. Simona Stoytchkova wiederum hob die Wichtigkeit von Netzwerken, Mentor:innenschaften und speziellen Trainee-Programmen hervor, um die Nachteile Ostdeutscher im Rekrutierungsprozess zu beheben. Einig waren sich die Diskutierenden, dass es wünschenswert wäre, die Einteilung in „Ost“ und „West“ schnellstmöglich zu überwinden.

Wissenschaftlicher Workshop: Deskriptive Repräsentation und ungleiche Rekrutierungschancen für Eliten- und Führungspositionen

Begleitend zur Tagung fand an beiden Vormittagen ein wissenschaftlicher Workshop statt, in dem sich die Fachcommunity zu aktuellen Forschungsarbeiten über Repräsentationsfragen, Mechanismen und Aufstiegshürden austauschte. Im Fokus standen neben Ostdeutschen auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Viele der Beiträge nutzten quantitative Ansätze zur Analyse von Ausmaß, Ursachen, Wirkungen und Mechanismen von Unterrepräsentation – insbesondere in Politik und Wissenschaft, aber auch in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz. Das Forschungsteam des TRAWOS (Prof. Raj Kollmorgen, Jan Schaller und Mara Börjesson) thematisierte in einem Beitrag die Rolle des Habitus als eine mögliche Ursache für die Unterrepräsentation Ostdeutscher.

Kontakt

Foto: Prof. Dr. phil. habil. Raj Kollmorgen
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